OEZ-Attentat in München: Die vergessenen Opfer | Die Story | Kontrovers | BR24

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Published 2021-07-21
2016 wurden bei dem Attentat am Münchner OEZ neun Menschen ermordet. Die meisten Opfer waren Jugendliche, jünger als der Schütze und ihm völlig unbekannt. Sie hatten Träume, ein Leben vor sich und waren nur zufällig an diesem Tag am Tatort. Für ihre Eltern und Geschwister ist das bis heute kaum zu ertragen. Aber nicht nur das: Die Erinnerung an diesen Anschlag wird dadurch bestimmt, dass sich eine ganze Stadt für Stunden im Ausnahmezustand befand. Kollektive Angst, Panik an Phantomtatorten. Die ermordeten Opfer geraten in Vergessenheit. Seit Jahren kämpfen die Angehörigen um Sichtbarkeit und Anerkennung und hoffen, dass die Zeit dafür nun gekommen ist.

Am Freitag, den 22. Juli 2016, werden in München neun Menschen ermordet, acht Jugendliche und eine 45jährige Frau. Der Täter tötet sie, weil sie Migrationshintergrund haben. Für ihre Familien und Freunde ist das bis heute schwer zu ertragen. Aber nicht nur das: Sie kämpfen bis heute um Sichtbarkeit und Anerkennung. Denn es dauert lange, bis die Tat nicht mehr als Amoklauf, sondern als rassistisches Attentat eingestuft wird. Einige der Angehörigen haben sich nun bereit erklärt, ihre Geschichte im BR-Politikmagazin Kontrovers zu erzählen.

Can wollte Fußball-Profi werden
Can Leyla war damals 14 Jahre alt und eines der Opfer des OEZ-Attentats. Sein Traum war es, Profi-Fußballer zu werden. Zur Zeit des Attentats hätte er eigentlich Fußballtraining gehabt. Doch weil es an diesem Tag ausfällt, trifft er sich mit Freunden in einem Schnellrestaurant am OEZ.

Attentat beginnt im Schnellrestaurant
Der 22. Juli 2016 war nicht zufällig vom Täter gewählt worden. Fünf Jahre zuvor hatte ein Rechtsterrorist in Norwegen an diesem Tag 77 Menschen ermordet. Der Täter des OEZ-Attentats ist ein 18-jähriger Deutsch-Iraner. Viele Belege sprechen dafür, dass er Anhänger des Nationalsozialismus war. Im Darknet besorgt er sich eine Waffe und mehr als 300 Schuss Munition. Damit betritt er das Schnellrestaurant am OEZ.

Schüsse auf flüchtende Menschen wie Sevda
In 18 Sekunden ermordet der Täter fünf Jugendliche und verletzt einen Jungen schwer. Daraufhin geht er vor die Tür und schießt auf weitere Menschen. Ein Mann auf einem Parkplatz stirbt dabei und eine Frau, die einkaufen war. Ihr Name ist Sevda Dag. Akin Erdem stand ihr sehr nahe. Sie war die Mutter seines Freundes und auch für ihn war sie wie eine Mutter.

Täter ermordet Menschen nach seinem Feindbild
Der Täter macht sich danach auf den Weg in das Einkaufszentrum. Am Eingang füllt er seine Magazine und geht dann in das OEZ. In diesem Moment kam ein Mann die Rolltreppe herauf, berichtet Ludwig Waldinger vom Bayerischen Landeskriminalamt aus den Ermittlungen. Ein zwanzigjähriger Mann, „der wieder diesem Feindbild entsprochen hat.“, so der Polizist. Der Täter schießt ihm viermal in den Rücken. Der junge Mann wird das letzte Todesopfer des Attentäters. Zweieinhalb Stunden nach der Tat stellen zwei Polizisten den Attentäter, der sich daraufhin selbst erschießt.

Zäher Kampf um Anerkennung als rassistische Tat
Von Rassismus oder einem rechtsextremen Anschlag ist bei den Ermittlungen anfangs nicht die Rede, obwohl auf dem Computer des Attentäters Unterlagen gefunden werden, die in diese Richtung weisen. Die Ermittlungs-Behörden bleiben aber vorerst bei der Einstufung als Verzweiflungstat eines Einzeltäters. Über ein Jahr nach der Tat bekommen die Angehörigen und ihre Rechtsanwältin Claudia Neher aber Akteneinsicht und finden ein Schriftstück des Attentäters: ein Manifest über „ausländische Untermenschen“. Sie bemühen sich daraufhin hartnäckig, dass die Tat als rechtsextremes Verbrechen anerkannt wird. Das Bayerische Landeskriminalamt ordnete das Verbrechen 2019 als „Politisch Motivierte Gewaltkriminalität - rechts“ ein. Mehr als drei Jahre nach der Tat.

Schwere Traumatisierung der Angehörigen
Akin Erdem suchte damals die ganze Nacht mit der Familie seines Freundes nach der Mutter Sevda. Doch sie finden sie nicht. Hasan und Sibel Leyla erfahren in den frühen Morgenstunden, dass ihr Sohn Can unter den Opfern ist. Bis heute können viele Angehörige nicht über den Tag sprechen, an dem ihre Freunde oder Familienmitglieder ermordet wurden. Das Attentat am Olympia-Einkaufszentrum hat sie traumatisiert und ihr Leben zerstört.

Angehörige fühlen sich alleingelassen
Zwar ist die Anteilnahme anfangs groß, dennoch fühlen sich viele Angehörigen-Familien allein gelassen. Zu hoch scheinen die kulturellen Barrieren, zu groß die Berührungsängste. Politiker hätten sich erst nach mehreren Wochen gemeldet, bedauert Hasan Leyla. Jahr für Jahr erinnert die Stadt München an den Anschlag. Aber in den vergangenen Jahren blieben Angehörige fern. Sie wurden kaum den Planungen mit einbezogen. Das sollte sich in diesem Jahr ändern. Doch weil die Stadt München den größten Wunsch der Angehörigen nicht erfüllt – mit einer Gedenkfeier zur Tatzeit um 17 Uhr –, planen sie wieder ihre eigene Veranstaltung.

Autor: Christian Stücken

All Comments (21)
  • Die ganze Zeit dachte ich mir das Can`s Vater, Hassan Leyla mir bekannt vorkommt .Dann als die Namen der Eltern im Video, die Mutter Sibel, hab ich feststellen müssen das ich beide Eltern kenne. Wir waren vor 23 Jahre Arbeitskollegen bei Kaut Bullinger in Taufkirchen. Was für eine um so mehr erschütternde Feststellung. Vielleicht erreicht ihnen zumindest Gedanklich mein allertiefstes Beileid, mein ganzes Mitgefühl. Beide ganz fleißige, die Frau, damals erst seit kurzem in Deutschland.Sich durch die Arbeitseinsatz sich eine Existenz und Familie gegründet,weshalb Ausländer hier kommen.Hassan ,Sibel ,nochmal mein Beileid .Grüße Emmanuel der Italiener.Drück euch....
  • @judys4531
    Mein großer Sohn ist ca 5 Minuten davor mit seinem Papa aus dem Schnellrestaurant gekommen. Ich war derzeit im Mira und konnte die beiden nicht erreichen. Sie haben sich nebenan in einem Geschäft versteckt. Dort wurde alles verrammelt. Ich musste nach Hause fahren und habe vor dem Fernseher die schlimmsten Stunden meines Lebens ausgestanden. Das werden wir alle nie vergessen. Mein allertiefstes Mitgefühl mit allen betroffenen Familien 😢
  • @k.o.1561
    Mein tiefes Mitgefühl! Es tut mir so leid für jeden einzelnen der jungen Menschen und der Frau, die Opfer wurden, wegen diesem bösartigen und furchtbaren Täter. Was für eine schreckliche Tat ohne Sinn.
  • @luis_l1402
    Das OEZ ist ein Beispiel wie dankbar wir eigentlich unserer Polizei sowie den Rettungskräften und Kräften im KH sein können!
  • @l.a.8141
    Cans Vater und Familie....soo entsetzlich so traurig mit dem Tod kann man nicht klarkommen...wenn ein(dein ) Kind stirbt wird man das im ganzen Leben mittragen es fehlt ein Teil von einem Selbst...man wird nie mehr ganz sein.Wünsche Allen Betroffenen das Sie dieses Ereignis irgendwie überstehen irgendwie damit leben können.Es tut mir so leid
  • @Snlg664
    An diesem Tag war ich mit meiner besten Freundin unterwegs. Wir waren am überlegen, ob wir und was bei McDonalds oder bei KFC holen. Wir haben uns dann für Kfc entschieden. Danach gingen wir zu meiner Freundin, weil sie Geld von zu Hause holen wollte, damit sie sich vom Oez Klamotten kaufen kann. Auf dem Weg hörten wir von der Tat und wurden gewarnt. Wir beschlossen uns nach Hause zu gehen. Auf dem Weg nach Hause erfuhr ich, dass einer meiner Freunde, der gleichzeitig auch mein Nachbar ist angeschossen wurde. Sein Vater war außer sich vor Sorge und fuhr sofort los. Ich hatte den ganzen Abend Angst, dass er gestorben ist. Dann sah ich in den Nachrichten, dass er auf einer Liege lag und habe angefangen zu weinen. Ich bin so froh, dass er noch lebt. Auch nach so vielen Jahren ist diese Tat sehr schrecklich. Ich wünsche den Angehörigen sehr viel Kraft und hoffe, dass die Opfer einen sehr schönen Platz im Paradies bekommen…
  • Sehr sehr traurig! Aber bitte liebes BR Team nicht immer die gleiche traurige melancholische Musik einspielen. Danke
  • @playerriz
    Unfassbar, mir laufen die Tränen runter.. das Beste der Welt den Familien!
  • @liittleliioness
    Ich weiß noch, ich hatte im Fernsehen davon erfahren. Ich schrieb direkt einem sehr sehr guten Freund, der dort wohnt. Er sagte, er war bis kurz davor dort gewesen. Mein Beileid an alle, die leider nicht so viel Glück hatten 🙏
  • Oh Gott, ich weiss noch wie schrecklich das war, als ob es gestern passiert wäre. Die ganze Stadt war in totaler Panik. Unvorstellbar das so etwas in München passiert. Mein tiefstes Mitgefühl der Familien und Angehörigen und allen, die hautnah alles miterlebt haben. Ich habe 2 Jahre am OEZ gearbeitet und bin oft an dem Gedenkort stehen geblieben, immer noch schockiert. So viele junge Menschen, einfach fürchterlich. Das wird so schnell niemand in München vergessen.
  • Unvorstellbar einer war mal so lebendig einfach da geht aus dem Haus und kommt nie wieder … jeder Tag kann der letzte sein. Man muss jeden Tag schätzen !
  • @heidip.6571
    Wo immer sie jetzt auch sind, werden sie ihre schützenden Hände über ihre Familien halten und all ihre Liebe, ihnen die Kraft geben, nach vorne zu schauen💗🍀🙏Im Herzen, bis in alle Ewigkeit💗😔
  • @layawema8830
    Mein tiefstes Mitgefühl für die Familien, Freunde und alle die die Opfer geliebt haben. Wie schrecklich das ist. Ich bin immer noch geschockt!
  • @chuchuboss7852
    Das tut mir so endlich leid. Wünsche allen sehr viel Kraft 🙏😔
  • @yazmin.b
    22.07.2016 🕊 6 Jahre. 💔 Mögen diese Engel in Frieden ruhen.. sie konnten alle nichts dafür..
  • @user-ig5if9ok3e
    Mein herzlichstes tiefstes Mitgefühl für alle Familienangehörigen und Freunde :( ist einfach nur schrecklich was da passiert ist. Ich war an dem Tag zufällig nach München gereist und hatte noch überlegt was anzusehen habe es dann aber gelassen und bin im Hotel geblieben. Hab alles noch so gut in Erinnerung als wäre es gestern gewesen
  • @benwell7384
    Mein tiefes Mitgefühl. Was für ein schreckliches Verbrechen und eine tiefe Narbe in unseren Seelen.
  • @salu217
    Das tut mir so weh. Ich denke ganz fest an die Angehörigen. ♡
  • @time4s44
    Eine absolute Frechheit vom dem Bürgermeister am 5. Jahrestag des rassistischen Amoklaufes keine Zeit zu haben. Unmögliches Verhalten... Diese Zeit sollte man den Opfern und Angehörigen schenken...